Covid-19: Auch Demokratien in der Krise?

Viel Unerfreuliches haben uns die online-Portale zu berichten, wenn wir uns an einem Regensonntag über den Zustand der Staaten rund um den Globus informieren. Der Begriff Diktatur ist virulent geworden, schwierig sich immer überall eine Meinung zu bilden.
Wer einen Überblick wünscht, kann zwischen vielen Ansätzen wählen, welche den Demokratie-Grad behandeln. Hier drei Beispiele:

  • Demokratie-Index des Economist
    Seit 2006 bewerten Experten 167 Länder rund um den Globus. Viele Faktoren zu Wahlprozess, Pluralismus, Funktionsweise der Regierung, politische Teilhabe, politische Kultur und Bürgerrechte prägen diesen Index. Die Auswertung vom Jahr 2020 ergab, dass nur etwa die Hälfte der Weltbevölkerung in einer Demokratie leben. Während die Freiheitsrechte durch die Pandemie weltweit stark unter Druck gerieten, sind einzelne erfreuliche Entwicklungen festzustellen: Taiwan wählte im 2020, mit hoher Wahlbeteiligung und demonstrierte Unabhängigkeit zu China.
    Die Schweiz belegt im Jahr 2020 den Rang 12 und gehört damit zu den vollständigen Demokratien. Wenn die politische Beteilung der Bevölkerung in der Schweiz höher wäre, würden wir im Ranking besser abschneiden.
    Während Norwegen wiederholt auf dem ersten Platz zu finden ist,  belegt Nordkorea, als ausgeprägt autoritäres Regime, gleichbleibend den letzten Platz.

Die Thematik, die Demokratie-Entwicklungen während der Pandemie ist facettenreich. Vieles wurde zeitnah bereits publiziert – z.B.:

Auch im  letzten Vortrag der Reihe «Schindler Lecture» des Institutes für Völkerrecht und ausländischem Verfassungsrecht widmete sich Frau Prof. Kim Lane Scheppele, Princeton University, dem Themenkreis: «Europas neues Demokratiedefizit». Der Vortrag kann nachgehört werden: https://www.ivr.uzh.ch/de/schindler-lectures.html

Das Geheimnis von Zimmer 622

Da die Sommerferien langsam vor der Türe stehen, kommt unser Literaturtipp gerade rechtzeitig. Gerne möchten wir den neuen Roman von Joël Dicker «Das Geheimnis von Zimmer 622» vorstellen.

Joël Dicker – der schreibende Jurist

Joël Dicker, der am 16. Juni 1985 in Genf geboren wurde, ist der Sohn einer Buchhändlerin und eines Französischlehrers. Schon im Alter von 10 Jahren gründete er eine Zeitschrift. Während sieben Jahren war er Herausgeber, Redakteur und Bürobote in einer Person und schickte das Blatt an rund 300 Abonnenten, die 20 Euro pro Jahr bezahlten. Mit 18 Jahren zog er nach Paris, wo er am Cours Florent ein Jahr lang Schauspiel studierte. Obwohl Joël Dicker sich eigentlich nicht «als akademischen Typ» sah, erkannte er, dass er «etwas Sicheres» fürs Leben brauchte, und entschied sich daher für ein Jurastudium an der Universität Genf. Ein guter Student war er gemäss eigener Aussage zwar nicht, aber er biss sich durch und schloss 2010 sein Studium ab. Schon damals nutzte er seine Freizeit und Ferien zum Schreiben – und zum Lesen. Nach seinem Studium arbeitete er zuerst im Anwaltsbüro seines Onkels und danach als Attaché im Schweizer Parlament. Gesetzestexte oder Fiktion lautete die Frage, die nach relativ kurzer Zeit zugunsten der Fiktion entschieden wurde.

2012 erschien sein zweiter Roman «Die Wahrheit über den Fall Harry Quebert» mit dem er weltberühmt wurde.

Joël Dicker – Protagonist in seinem neuen Roman

Während der Romanautor Joël Dicker (ja Sie haben richtig gelesen, der Roman wird aus der Ich-Perspektive erzählt) in den Schweizer Alpen im vornehmen Hotel Palace de Verbier ein paar Ferientage geniessen möchte, lernt er die charmante Scarlett Leonas kennen. Sie logiert im Nebenzimmer und erkennt ihn als „den Schriftsteller“. Interessiert fängt sie an, ihn zu seinen Ideen für seine Bücher zu befragen. Die Ideen kämen durch Fragestellungen, erklärt er ihr und nimmt als Beispiel die Frage, warum es auf ihrer Hoteletage die Zimmer 621, 621a und 623 gibt, nicht aber die 622. Diese Frage fesselt die beiden so sehr, dass schon bald nicht mehr an Urlaub zu denken ist, denn die beiden sind einem Mord auf der Spur, der sich vor Jahren in diesem Zimmer ereignet hat.

Alles begann damals mit der berühmten Genfer Bankiersfamilie „Ebezner“. Macaire, der einzige Sohn des damaligen Präsidenten der Schweizer Privatbank, erhofft sich das Amt des Präsidenten, nach dem Tod seines Vaters, wie es bis anhin der Brauch war. Aber sein Vater hat im Testament festgelegt, dass die Präsidentschaft nicht mehr automatisch an den Erben gehen soll, sondern vom Bankrat bestimmt werden soll. Trotzdem ist Macaire sich sicher, dass er zum neuen Bankpräsidenten ernannt wird. Als ihm aber Gerüchte zu Ohren kommen, dass sein Kollege Lew Lewowitsch für dieses Amt ausgewählt werden soll, gerät er in Panik. Es folgen immer tiefere Verstrickungen, die sich bis zum grossen alljährlichen Bank-Wochenende, an welchem der Rat offiziell den neuen Präsidenten verkünden soll, zuspitzen.

13th

Heute möchten wir Ihnen einen Doku-Film ans Herz legen. Seit April dieses Jahres ist dieser Film im Zuge von #blacklivesmatter auf Youtube von Netflix verfügbar gemacht worden.

Beim 13th handelt es sich um einen vielfach ausgezeichneten Dokumentarfilm von Ava Du Vernays, der aufzeigt wie Rasse, Gerechtigkeit und Masseninhaftierung in den USA zusammenhängen. Der Titel spielt auf den 13. Zusatzartikel zur Amerikanischen Verfassung an. Seit dem Inkrafttreten dieses Artikels galt die Sklaverei in den USA offiziell als abgeschafft. Aber dieser Artikel enthält auch ein Schlupfloch: Kriminelle sind bis heute von dieser Regelung ausgenommen.

In den USA leben 5% der Weltbevölkerung, aber 25% aller Gefangenen weltweit sind in den USA inhaftiert.  Und diese Masseninhaftierung betrifft unverhältnismässig viele Afro-Amerikaner. Wenn man sich vor Augen führt, wie profitabel diese Masseninhaftierung ist, gewinnt man eine Vorstellung, wie stark dieser staatliche Mechanismus mit der Wirtschaft verknüpft ist.

Wer sich auch bei uns vertieft mit diesem Thema auseinandersetzen möchte, dem seien unter anderem folgende Bücher zu empfehlen:

  • Prisoners of politics: breaking the cycle of mass incarceration von Rachel E. Barkow (erwartet)
  • Hunting for “dirtbags” von Lori Beth Way (Wib 978)
  • The long, lingering shadow von Robert James Cottrol (Scf 214)
  • Letters of the law von Sora Y. Han (Stf 151)

(Bildquelle: netflix.com)

Ruth Bader Ginsburg – On the Basis of Sex

(Bild von azmovies.net)

Wer sich über die aussergewöhnliche Ruth Bader Ginsburg, liebevoll auch RBG genannt und ihre Anliegen ein Bild machen möchte, sollte auf keinen Fall den sehenswerten, für einen Oscar nominierten Dokumentarfilm „RBG – Ein Leben für die Gerechtigkeit“, der unter anderem am 15. Oktober um 19:00 im L200 von der RWI Frauen*streikgruppe gezeigt wird, verpassen. Um sich bereits im Vorfeld auf das Thema einzustimmen, empfehlen wir den Film:

Die Berufung – Ihr Kampf für Gerechtigkeit

(Originaltitel: On the Basis of Sex), eine Filmbiografie von Mimi Leder über die Amerikanerin Ruth Bader Ginsburg. Empfehlenswert ist der Film unter anderem auch daher, da es der „echten“ Ruth Bader Ginsburg sehr am Herzen lag, dass die juristische Thematik korrekt wiedergegeben wird.

Schon während Ruth Bader Ginsburg, als eine von nur neun Frauen, Mitte der 1950er-Jahre in Harvard Jura studiert, ist es ihr grosser Wunsch als Anwältin den Menschen zu Recht zu verhelfen. Vor allem denen, die vom System benachteiligt werden, denn das kennt sie aus eigener Erfahrung. Obwohl sie ihr Jura-Studium als Jahrgangsbeste abschließt, will keine Kanzlei sie einstellen, denn eine Frau als Anwältin ist in den 60er Jahren undenkbar. Daher nimmt sie eine Professorenstelle an, um zumindest so zukünftige Anwältinnen zu prägen und zu unterstützen.

Als ihr Mann Marty, selbst ein erfolgreicher Steueranwalt, ihr vom Fall „Charles Moritz“ berichtet, wittert sie eine einmalige Chance. Denn Charles Moritz wurde als Steuerhinterzieher verurteilt, da er eine Steuervergünstigung geltend machen wollte, die von Gesetzes wegen nur Frauen gewährt wird. Diese Diskriminierung auf Grund des Geschlechts nimmt Ruth zum Anlass, um grundsätzlich den Kampf gegen die geschlechterbedingte Ungleichbehandlung aufzunehmen und einen historischen Präzedenzfall zu schaffen.

Ruth Bader Ginsburg findet ihre persönliche Berufung als Frauenrechtlerin, die darum kämpft, dass der Gleichheitsgrundsatz der Verfassung im praktischen Leben Fuss fassen kann. Seit 1993 ist sie „Beisitzende Richterin“ (Associate Justice) am Supreme Court, dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten. Trotz ihrer zahlreichen ernsthaften Erkrankungen denkt sie bisher nicht daran, sich von diesem Amt zurückzuziehen.

 

Jus(tice) in Film

Bildquelle: http://www.palgrave.com

Im Nachklang zum kürzlich zu Ende gegangenen Zurich Film Festival ZFF – hier einige Gedanken und Hinweise zum Thema Law and Film.

Schon die älteren Titel aus der Filmgeschichte dieses Genres verheissen Spannung und Unterhaltung:
Falsely Accused, 1907, vermutlich der erste Gerichtsfilm, wo übrigens bereits ein Film als Beweismittel fungiert,
M, 1931, Selbstjustiz durch den Mob,
Anatomy of a Murder, 1959,
12 Angry Men, 1957,
Paths of Glory, 1957, Militärgerichtsfilm,
The Life and Times of Judge Roy Bean, 1972, Western mit Paul Newman als Anti-Richter,
The Verdict, 1982.

Darunter dürften einige sicherlich bekannt sein, auf jeden Fall verheissen die Titel Spannung, ausgeklügelte Plots und Kampf um Wahrheitsgehalt – vor Gericht, bei der Recherche, Rechtsfindung – und filmisch mit hohem moralischen Anspruch dargestellt und mit grossen Emotionen versehen. Die tägliche, ausdauernde Anwaltsarbeit kommt zwar meist zu kurz in der filmischen Rechtswelt, aber wir können doch ab und zu einige sporadische Einblicke in Verfahren, Gesetze und Rechtspsychologie gewinnen.

Ist der Lawfilm ein aktuelles Genre, d.h. wurden beim diesjährigen ZFF Festival solche gezeigt? In der Programmdatenbank sind neun Filme mit dem Schlagwort Justitia versehen – bei etwas mehr als 170 Filmen im Programm, also 5 %. Dabei decken die Filme ein weites Spektrum ab: Militärjustiz, Menschenrechts- und soziale Fragen (Crown Heights, 2017), Filme, bei denen Frauen im Zentrum stehen (Molly’s Game, 2017), bis hin zu einem Dokumentarfilm, der der Frage nachgeht, ob durch Big Data Straftaten vorhergesagt werden können (Pre-Crime, 2017). Die Relevanz des Themas kann weiter durch die wirtschaftliche Bedeutung des Mediums Film in Europa verdeutlicht werden: So existieren über 75’000 Firmen, und 373’000 Personen sind in dieser Branche beschäftigt. Dabei wird ein Ertrag von 60 Milliarden Euro jährlich erwirtschaftet (Film Copyright in the European Union, 2016).

Auch die Literatur zu dem spannungsgeladenen Thema ist aktuell und umfassend, dazu zwei Empfehlungen: Film and the Law, 2010, und Hollywood and the Law, 2015. Das erste Werk zeigt vieldimensional die Art der Repräsentation von Recht im Film auf, das zweite thematisiert die rechtlichen Rahmenbedingungen – wie Arbeitsverträge, Immaterialgüterrecht, Zensur, unter denen Filme in Hollywood entstehen und weltweit vertrieben werden können. Darüber hinaus schaut man sich den Podcast des Vortrags von Jessica Silbey an – Rechtsprofessorin an der Northwestern University – mit dem Titel A History of Law in American Film, 2016, veröffentlicht von Library of Congress:

Doch am besten ist es wahrscheinlich, eine Auswahl Rechtsfilme mit kritischem Blick zu visionieren. In Zürich gibt es einige umfangreiche Filmsammlungen:
Spezifisch zur Rechtsthematik die Abteilung Rechtsvisualisierung des RWI (UZH), dann mit allgemeinem Spektrum die ZHdK, die Zentralbibliothek und die Videothek
des Filmwissenschaftlichen Instituts UZH. In den nächsten Tagen findet am RWI gar ein Seminar zu Recht im Film statt, vom 25.-27. Oktober (Lehrstühle Kiener und Graber) – zwar bereits ausgebucht, aber man kann auf ein Remake hoffen.

Mein Favorit unter den Filmen mit Thema Recht: Erin Brockovich, 2000, mit Julia Roberts, Regie von Steven Soderbergh (nach einer wahren Geschichte!). Doch wenn wir der Frage nach Recht und Gerechtigkeit nachgehen, wir uns nicht nur an „wahren Geschichten“ orientieren, können wir auch die Potentiale von gesellschaftlichen (Film-)Fiktionen und Utopien ausschöpfen.

Dieser Artikel wird sporadisch auf die Aktualität  der Links geprüft. Zuletzt geprüft: 08.06.2018