FORUM UZH – Teil 2, Fragen an den Senior-Bauprojektleiter UZH

Zuletzt stand das Forum UZH und mit ihm die neue Stadtuniversität im Rampenlicht der öffentlichen Diskussion an den europäischen Tagen des Denkmals und in unserem RWI-Blog mit dem Titel „Neuer Zürcher universitärer Hotspot“. Neben denkmalpflegerischen habe das Jahrhundertprojekt auch weitgehende städtebauliche Implikationen und habe eine tiefe Verbindung zur (Bau-)Geschichte Zürichs, hiess es im Rahmen der Denkmaltage. Durch die historisierende Referenz auf die „klassischen“ Universitätsbauten der Rämistrasse sei der Bezug zu dieser Zeitdimension architektonisch sichergestellt – Hallen im Innern, Vorbereiche zur Strasse usw. – so sinngemäss Christine Binswanger, Senior Partnerin bei Herzog & de Meuron an den Denkmaltagen. Die Zukunft verschränkt sich mit der Vergangenheit und Gegenwart, könnte man sagen.

Wir stellten dem Senior-Bauprojektleiter UZH, Johannes Müller-Lotze, einige Fragen – mit dem Schwerpunktthema zur Entwicklung der Rechtswissenschaften im Zusammenhang des Forum und nicht zuletzt zum Thema Nachhaltigkeit des universitären Megaprojekts.[1]

 Welche Möglichkeiten werden durch das FORUM UZH den Rechtswissenschaften eröffnet? D.h. wieviel neuer Raum? Studienplätze? Seminarräume? Hörsäle?

Für die Rechtswissenschaften plant die UZH im FORUM UZH Forschungsflächen, welche flexible und zukunftsorientierte Flächen für die Forschenden und fortgeschrittenen Studierenden umfassen. Auf diesen Flächen werden u.a. interdisziplinäre Forschungsprojekte von etablierten Forschern mit dem wissenschaftlichen Nachwuchs, z.B. den Doktorierenden, geplant, durchgeführt und die Lehre vorbereitet. Die Flächen bieten Raum für den Austausch und Kollaboration, Rückzugsmöglichkeiten für konzentriertes Arbeiten und auch Versuchsräume für die wissenschaftliche Arbeit mit Studienteilnehmerinnen und -teilnehmern. Die Forschungswelt der Zukunft ist vernetzt und digital, lebt aber weiterhin von der persönlichen Begegnung. Kurze Wege und der Austausch vor Ort in den Forschungsgruppen bleiben entscheidend.

Die Bürowelten bieten den Forschenden ein für die Kreativität und Konzentration förderliches Ambiente. Zusätzlich schafft die UZH attraktive Begegnungszonen für spontane Kommunikation und den informellen Austausch. Dank der Nähe zu den Selbstlernplätzen werden auch die Studierenden in den wissenschaftlichen Alltag einbezogen.

Neben den bestehenden Flächen im RAI entstehen im FORUM UZH über 3’000m2 Hauptnutzfläche für die Rechtswissenschaften.

Zusätzlich entstehen 9 Hörsäle, über 30 Seminarräume und über 700 Studierendenarbeitsplätze im FORUM UZH, die den Rechtswissenschaften und allen anderen Fakultäten der UZH zur Verfügung stehen.

 Innerhalb des FORUM UZH entsteht eine neue Bibliothek (oder Learning Center). Welche Dienstleistungen und Möglichkeiten können die RechtswissenschafterInnen (d.h. Studierende, Forschende, Alumni) dort zum jetzigen Zeitpunkt erwarten? Werden dort auch Sammlungen juristischer Literatur zur Verfügung gestellt oder eher Lernplätze?

Die Belegung des Bibliotheksbereichs im FORUM UZH entspricht dem Bericht „Bibliothek der Zukunft“. Demnach sind aktuell keine grösseren Sammlungen der Rechtswissenschaften im FORUM UZH vorgesehen.

Am Meet & Greet wurden von den Mitarbeitenden zahlreiche Rückmeldungen respektive Inputs eingebracht, die – falls umgesetzt – Anpassungen nicht nur organisatorischer, sondern auch architektonischer Natur erfordern, z.B. im Hinblick auf die gewünschte Nähe zu Beständen in Aufstellungssystematik oder zu Kleinbeständen – oder bezüglich der logistisch anspruchsvollen Infrastruktur v.a. für Dokumentlieferdienste.
Ist das vorliegende Projekt Forum UZH flexibel genug – oder kann es allenfalls durch intensivierte Zusammenarbeit mit den Architekten und Architektinnen von Herzog & de Meuron sowie mit Experten von UZH-Bibliotheken, Studierenden und Forschern angepasst werden?

Im Projektteam besprechen wir das Thema bibliothekarisches Lernzentrum im Rahmen des Variantenstudiums intensiv. Dabei stützen wir uns auf die Expertise der UZH-Mitarbeitenden und Studierenden. Die Inputs nutzen wir als Anregungen für unsere Projektarbeit. Genau welche Anregungen umgesetzt werden können, ist Bestandteil der jetzigen Projektarbeit. Bei der Prüfung der Inputs setzen wir zwei Faktoren miteinander in Relation: einerseits, dass eine Balance der einzelnen Nutzungen erzielt wird. Andererseits müssen Faktoren, die einen sicheren und effizienten Betrieb ermöglichen, wie z.B. Brandschutz oder Gebäudetechnik, zwingend sichergestellt sein.

Für das Gros der rechtswissenschaftlichen Community wäre eine Anbindung der beiden Gebäude Forum UZH und RAI (Rämistrasse 74) eine interessante Option – inklusive der RWI-Bibliothek und des neu entstehenden – sagen wir mal – „Integrated Learning Research Centers“. Gibt es hier bereits Lösungsansätze? Grundsätzlich stellt sich natürlich die Frage der Übertragbarkeit der virtuellen Verlinkung (Internet, digitale Mobilität) auf die physischen Verhältnisse. Was denken Sie hierzu?

Die Wettbewerbsjury hat die Prüfung der Anbindung des FORUM UZH an das RAI bereits im Wettbewerbsverfahren eingefordert. Die Forderung der Anbindung ist entsprechend in den Anforderungskatalog an den Architekten eingeflossen. Ähnlich wie beim bibliothekarischen Lernzentrum gilt es, die Balance von Funktion, Nutzen, Architektur und Kosten abzuwägen. Im Grundsatz ist eine hindernisfreie Verbindung zwischen FORUM UZH und RAI angedacht. Ob diese im offenen oder geschlossenen Bereich erfolgen wird, wird derzeit geprüft.

Entwicklungen der Zukunft vorgreifend, müsste vermutlich die Architektur des FORUM UZH bezüglich ihrer Nachhaltigkeit geprüft/sichergestellt werden (Climate change-proof architecture). Inwiefern erfüllt das Projekt von Herzog & de Meuron die Vorgaben von Stadt und Kanton diesbezüglich? Oder überschreitet es diese allenfalls bereits?

Es ist richtig, dass wir bei Neubauprojekten für die UZH Entwicklungen der Zukunft bezüglich Nachhaltigkeit einbeziehen. Bereits im Wettbewerbsprogramm haben wir den kantonalen Standard „Nachhaltigkeit Hochbau“ als Grundlage festgelegt.
Dieser Standard macht Vorgaben zu den Themen Umwelt, Wirtschaft und Gesellschaft. Sodann hat die UZH in Zusammenarbeit mit dem Kanton eine kantonale Zielvereinbarung erstellt, welche Massnahmen für die Energieeffizienz von Bauten der UZH festlegt.
Bei Neubauten sind wir bestrebt, alle gesetzlichen oder normativen Anforderungen entsprechend überzuerfüllen. Zudem haben wir den Architekten beauftragt, das Gebäude entsprechend des Nachhaltigkeitslabels SGNI (Schweizer Gesellschaft für Nachhaltige Immobilienwirtschaft) zu planen. Dieses strebt die Nachhaltigkeit entlang des gesamten Lebenszyklus bei Planung, Konstruktion, Betrieb und Nutzung an. Zielvorgabe hierbei ist der Labelstandard „Gold“.

[1] Siehe zur Bedeutung von Architektur und Bauen in diesem Zusammenhang das interessante Interview mit Bjarke Ingels, einem dänischen Stararchitekten, im NZZ-Feuilleton vom 30.10.2019, S. 36 f.

https://www.nzz.ch/feuilleton/architekt-bjarke-ingels-wir-brauchen-einen-masterplan-fuer-den-planeten-ld.1512035

Besten Dank – Herr Müller-Lotze – für das Interview – und
wer sich weiter mit der zukünftigen Entwicklung von Bibliotheken auseinandersetzen möchte:
Library Science Talk „From Demat to Remat: designing the post-digital library“,
30.9.2019, Gildas Illien, Muséum national d’Histoire naturelle, Paris:

https://cds.cern.ch/record/2693546

oder Library Science Talk, 27.3.2018, Emmanuèle Bermès, Bibliothèque nationale de France, „Text, data, and link mining in digital libraries“

https://videos.cern.ch/record/2310784

Bildquelle: media.uzh.ch (Herzog & de Meuron).

Neuer Zürcher universitärer Hotspot: Forum UZH an der Kulturmeile

Reflexionen über das aktuelle Jahrhundertprojekt Forum UZH an der Rämistrasse

Herzog & de Meuron und das Forum UZH

Die Rämistrasse wird zur neuen universitären Kulturmeile in einem Jahrhundertprojekt umgebaut. Die Stichworte Öffnung, Permeabilität/ Porosität, Flexibilität bei klarster, funktionaler und ästhetischer Gliederung kennzeichnen das nicht nur für Zürich, sondern weit darüber hinaus bedeutende Bauprojekt Forum UZH der Weltarchitekten Herzog & de Meuron (H&deM). Letztere wurden im Jahre 2001 mit dem Pritzkerpreis, dem „Nobelpreis für Architektur“, ausgezeichnet.

Der Leistungsausweis von H&deM lässt die Erwartungen in die Höhe schnellen: Allein in der Schweiz sind es nach meinen Berechnungen an die 200 Projekte, welche sie bisher geschaffen haben – zumindest als Projektierungen –, zum grossen Teil öffentliche Bauten und Firmengebäude. Ihr Erfahrungshorizont erstreckt sich auf über 40 Jahre. Das erste Projekt realisierten sie 1978 in Riehen und bereits ihr übernächstes war eine öffentliche Ausschreibung, bei der sie den ersten Rang belegten – notabene der Marktplatz in Basel – auch ein Forum. Zu den von H&deM geplanten Gebäuden im Bildungsbereich gehören drei Bibliotheken – Eberswalde, Cottbus und die Nationalbibliothek Israels – sowie drei universitäre Projekte, von denen eines umgesetzt wurde (Skolkovo), ausserdem über dreissig Museen. Daneben sind sie rege publizistisch und in der Lehre tätig. Architektur geht dabei weit über den reinen Baukontext hinaus – siehe beispielsweise ihren Aufsatz in „Wohin treibt die Schweiz?“. Während zwei Jahrzehnten führten sie das ETH Studio Basel, welches sich in erster Linie mit Fragen der Stadtentwicklung beschäftigte.

Zu H&deM
http://www.herzogdemeuron.com
Herzog & de Meuron, 1978–1996, 2018, 3 Bände (Paperback)
Wohin treibt die Schweiz?: zehn Ideen für eine bessere Zukunft. hg. von J.Paucker et al., 2011
C. Schaub, M. Schindhelm, Bird’s Nest – Herzog & de Meuron in China, 2008 (DVD)
SRF Sternstunde: Jacques Herzog „Architektur ist Erkenntnis“

Forumsarchitektur: Reflexionen

Das Forum UZH stellt nicht nur ein Bekenntnis zur Daten-, sondern weiter noch zur Wissens-Gesellschaft dar – im demokratischen Sinn –, und ein Plädoyer für die Universität als umfassendes, gesellschaftlich relevantes Bildungsgefüge. Durch die starke Berücksichtigung vor allem der Quartierbewohner, aber nicht nur, bei der Planung und der Öffnung der Universität für die Bevölkerung (lebenslange Weiterbildungsangebote, Sport und Gastronomie) wird citizen science im weitesten Sinn und eine offene Universität ermöglicht (Partizipationsgedanke).
Bei einem Investitionsvolumen von 500 Mio. Franken ist es Verpflichtung und Ansporn zu Höchstleistung zugleich – einzelner Individuen oder in Teamarbeit. Gerade bezüglich des letztgenannten Aspektes könnte Herzog/deMeuron als Rollenmodell betrachtet werden. Dies wird auch bereits theoretisch erforscht (siehe S. Seifert et al., URBAN RESET, 2012, 41ff.). Vom zugrundeliegenden Konzept her sticht der Kommunikations- und Vernetzungsaspekt heraus – und dieser ist hervorragend architektonisch umgesetzt, dadurch z.B. dass alle wesentlichen Raumtypen eine offene, transparente Seite aufweisen, auch die Seminarräume.

Forum

Das über mehrere Ebenen erreichbare Forum – besonders gelungen der Zugang von der Rämistrasse her in den Gebäudekomplex – ist die zentrale Drehscheibe: für Begegnung und Aufenthalt – auch für alle Besucher und Besucherinnen (offene Universität), gleichzeitig auch Arbeits- und Veranstaltungsort (Stichwort Flexibilität). Angelehnt an den Lichthof der „alten“ Universität, ist das neue Forum zwar auch ein grosser innerer Raum, aber eigentlich vielmehr eine Schaltstelle – mit Glaswand und Ausgang zu einem Garten (!) im Gebäudekomplex und Überquerungsmöglichkeiten über den Raum hinweg mittels Passerellen (Vernetzungsgedanke). Gerade durch das Forum und v.a. dessen Höhe wird ein Gefühl der Erhebung ausgelöst, was nach wie vor essentiell ist bei Bibliotheksräumen oder Universitätsgebäuden.

Interinstitutionelle Synergien und Kulturmeile

Die neu institutionell verstärkte Kooperation der drei universitären Institutionen UZH, USZ und ETH wurde konzeptuell in einem Masterplan entwickelt und verabschiedet. Die erwähnte Kulturmeile wird deren städtebauliche Realisierung sein, wozu Herzog & de Meuron die Voraussetzung auf baulich-landschaftgestalterischer Ebene geschaffen haben – zusammen mit Michel Desvignes, einem der bedeutendsten Landschafts- architekten Europas.

Nicht zuletzt sollte ein Gebäude immer auch neben dem Funktionalen schön-attraktiv sein, sodass es von den Nutzern und Nutzerinnen angenommen wird – in individueller Wahrnehmung (allenfalls intersubjektiv verknüpfbar und theoretisch unterlegt) durch die
daran Interessierten, wie Jacques Herzog sinngemäss im oben zitierten SRF-Interview erwähnte. Dieser Prozess kann bereits vor dem Bau beginnen – ganz in diesem Sinne der vorliegende Blogpost, der zu weiteren Gedanken anregen möchte – z.B. wie die Bibliotheken in der Kulturmeile vernetzt und positioniert werden können.

Literaturempfehlungen, Ausstellung
Weissbuch: Hochschulgebiet Zürich Zentrum https://are.zh.ch/internet/baudirektion/are/de/raumplanung/gebietsplanungen/hochschulgebiet_zh/weissbuch.html#a-content (PDF).
URBANRESET: Freilegen immanenter Potentiale städtischer Räume, hg. v. R.
Seifert et al., 2012.
Alle im Blogpost genannten Werke sind im NEBIS-Katalog bestell- und ausleihbar.
Ausstellung zum Hochschulgebiet Zürich Zentrum – mit Stadtmodellen und Film: Amtshaus IV, Lindenhofstrasse 19, 8001 Zürich, Mo-Fr 8-17 h, noch bis 8.2.2019.

 

Komplexe Rämi-Gloriastrassen-Situation heute
Hochhaus-/Gloriastrassengebiet heute
Nach Transformation durch Herzog&de Meuron. Copyright Herzog&deMeuron.
Wässerwies heute
Schanzenberg heute.
Fotos 1, 2, 4, 5 copyright  Martin Kurz